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Sozialwissenschaften

Demokratie erleben und gestalten - das FGH hat an der Juniorwahl zur Landtagswahl NRW teilgenommen!

Für Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen EF und Q1 ging es schon in der Vorwoche der diesjährigen Landtagswahl an die Wahlurnen. Das FGH beteiligte sich zum wiederholten Male an dem bundesweiten Demokratieprojekt Juniorwahl und so konnten die Sowi-Grundkurse der Q1 und EF sowie der Deutsch-Leistungskurs der Q1 ihre Stimmen im Rahmen der originalgetreuen Wahlsimulation abgeben. Betreut und organisiert wurde die Wahl von den Sowilehrern Dennis Hebrok und Mario Meier. 

Die Juniorwahl ist ein handlungsorientiertes Konzept zur politischen Bildung an weiterführenden Schulen und ermöglicht das hautnahe Erleben und Erlernen von Demokratie. 

Mehr Informationen zur Juniorwahl und den Landesergebnissen 2022 finden sie hier

Vortrag und Diskussion zu sicherheitspolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine

Informativ, schockierend, unterhaltsam - Workshop zum politischen Extremismus

Am Mittwoch, den 22. Dezember 2021, fand am Friedrichs-Gymnasium ein Workshop zum Thema des politischen Extremismus mit dem Referenten Philip Schlaffer aus Norddeutschland statt. Teilgenommen haben der Grundkurs und der Zusatzkurs Sozialwissenschaften der Q2 von Herrn Meier.

Philip Schlaffer war selbst jahrelang ein bedeutsames Mitglied der rechtsextremen Szene. Inzwischen arbeitet er seit seinem persönlichen Ausstieg vor einigen Jahren jedoch als Anti-Gewalt- und Deradikalisierungstrainer in der Extremismusprävention und engagiert sich in diesem Zusammenhang für den Verein "Extremislos e.V.". Das Hauptaugenmerk des Workshops lag auf seiner eigenen Biographie und seinem Werdegang im Rechtsextremismus. Philip Schlaffer skizzierte an diesem Vormittag Schritt für Schritt seine eigene Radikalisierung und zeigte den Weg auf, den er gegangen ist, um politischen Extremismus und Kriminalität hinter sich zu lassen.

Zu Anfang seiner Erzählung machte er deutlich, dass seine Eltern nicht Schuld an seiner Radikalisierung gewesen seien. Er käme aus einem gutbürgerlichen und demokratischen Haushalt. Der junge Philip hatte eine normale Kindheit, bis seine Eltern, als er 10 war, einen folgenschweren Entschluss fassten: Die vierköpfige Familie sollte nach England auswandern. Die Eltern „bestachen“ Tochter und Sohn mit der Aussicht auf einen eigenen Fernseher im Zimmer und so stimmten die Kinder, trotz großer Unzufriedenheit hinsichtlich der Aussicht, seine Freunde und sein gewohntes Umfeld hinter sich zu lassen, der Auswanderung zu. In der neuen Schule in England wurde Philip als Deutscher nicht akzeptiert und erlebte das erste Mal Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leib. Er wurde gemobbt und war einsam. Doch er raffte sich auf, lernte schnell Englisch, trat einem Rugby-Verein bei, fand Freunde und integrierte sich. In der Schule lief es mit der Zeit wieder sehr gut.

Doch mit 14 kam für ihn der nächste Schock: Die Eltern wollten wieder zurück nach Deutschland. Jetzt, wo er sich innerhalb der vier Jahre einen guten Freundeskreis aufgebaut und sich an England gewöhnt hatte. Wieder musste er alles zurücklassen. Zu seinen alten Freunden aus Deutschland hatte er keinen Kontakt mehr und seinem alten Fußballverein konnte er auch nicht mehr beitreten.

Der Wechsel von einer englischen Schule auf ein deutsches Gymnasium fiel Philip sehr schwer. Vom Musterschüler wandelte er sich zu einem 5er- und 6er-Kandidaten. Deshalb wechselte er mit 15 auf eine Gemeinschaftsschule. Doch diesmal hatte er nicht die Bestrebung, neue Freunde zu finden, im Gegenteil: Aufgrund seiner Erfahrungen entwickelte er eine Anti-Haltung und wollte niemanden mehr an sich heranlassen. Wenn jemand ihn auslachte, würde er mit Gewalt reagieren. Er gab seinen Eltern die Schuld an seiner Situation und bezeichnete sie rückblickend als sein erstes Feindbild.

Über die Musik fand er Menschen, die seinen Hass teilten und so begann Philip Rechtsrock zu hören. Das Ausschlaggebende in der Musik war für ihn aber nicht der Hass auf andere, sondern das Gefühl der Zugehörigkeit und Anerkennung. Auch auf dem Schulhof fand er Gleichgesinnte und gründete mit ihnen eine Band. Über die Musik radikalisierte sich Philip zusammen mit seiner Gruppe immer stärker. Anfangs besuchte er nur Konzerte, später auch rechtsorientierte Demos und durch die dort geknüpften Kontakte letztendlich NPD-Treffen. So startete in den 90er Jahren seine „Karriere“ im Rechtsextremismus. Später als Erwachsener gründete er auch eigene rechtsextreme Gruppen. Beispielsweise prägte er nach seinem Umzug von Lübeck nach Mecklenburg-Vorpommern die rechtsextreme Szene in Wismar mit seiner „Kameradschaft Werwolf“. In dieser Zeit vertrieb und produzierte Philip Schlaffer selbst Rechtsrock-Musik und war ein wichtiger Kopf in den rechtsextremen Strukturen Mecklenburg-Vorpommerns.

Gewalt war für ihn Alltag, egal ob durch Schlägereien auf der Straße mit politischen Gegnern, beim Fußball oder innerhalb der eigenen Gruppierung. Auf Rückfrage eines Schülers gab Philip an, in dieser Zeit nie an seinem Weltbild gezweifelt zu haben, da dies sein ganzer Lebensinhalt war.

Das erste einschneidende Erlebnis, was später zu seinem Ausstieg aus der Szene beitrug, geschah, als er 28 war. Drei maskierte Männer brachen in sein Haus ein und drohten ihn umzubringen, wenn er ihnen nicht 10.000 Euro bezahle. Einen der Männer identifizierte er trotz Maske als einen rechtsextremen Kameraden und Geschäftspartner aus Berlin. Er griff zu einer Schusswaffe und obwohl die Einbrecher flohen, schoss er auf sie. Sie entkamen. Zunächst versuchte Philip, den Vorfall auszublenden und konzentrierte sich auf seine aktuelle Gruppierung in Wismar. Doch als betrunkene Kameraden aus seiner Gruppe an Silvester einen Menschen verprügelten und schlussendlich abstachen, reichte es ihm. Er trat bei den „Werwöfen“ aus und suchte sich ein neues Betätigungsfeld jenseits des politischen Extremismus. Zum bürgerlichen Demokraten wurde er an diesem Punkt allerdings noch nicht.

Er tauchte immer stärker in die organisierte Kriminalität ein und gründete schließlich einen kriminellen Rockerclub, die inzwischen verbotene „Schwarze Schar Wismar“.  Einige Jahre war er in der Folge im Rocker- und Rotlicht-Milieu aktiv. Doch durch die Alarmbereitschaft, dass ihn jederzeit jemand angreifen oder überfallen könnte, entwickelte er Schlafstörungen und Philips psychischer Leidensdruck wurde immer größer. Er bekam starke Migräne und stand nun vor großen Schwierigkeiten: Er konnte mit niemandem aus seinem Umfeld über seine persönlichen Gefühle und Probleme reden. Vor seiner Gruppe durfte er keine Schwäche zeigen, vor allem nicht als ihr Anführer. Er begann den Mitgliedern seiner Gruppe etwas vorzuspielen, bis er ein halbes Jahr später durch einen Streit als Präsident des Clubs zurück- und aus der Gruppe komplett austrat.

Völlig am Boden rief er seine Mutter an und traf sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit mit seiner Familie außerhalb von Weihnachten und Geburtstagen. Unter vielen Tränen versöhnte sich die Familie. Mitten im Prozess des Wandels erfolgte dann allerdings ein persönlicher Rückschlag, da Philip wegen vergangener Straftaten im Rockermilieu für über zwei Jahre in Haft musste. Im Gefängnis suchte er sich Hilfe und arbeitete mit einem Psychologen nach und nach seine Vergangenheit auf. Außerdem begann er sich für den Buddhismus zu interessieren und las Bücher darüber.

Auf Rückfrage eines Schülers erklärte Philip, dass er sich inzwischen als sehr liberaler Mensch verstehe, der Extremismus jeglicher Couleur ablehne.

Insgesamt waren die Schülerinnen und Schüler an der mitreißenden Lebensgeschichte Philip Schlaffers sehr interessiert, was man an der regen Beteiligung und den vielen Rückfragen sehen konnte. Philips lockere Art, gepaart mit seiner unterhaltenden Vortragsweise kam beim Publikum gut an. Was die Schülerinnen und Schüler aus dem Workshop mitnehmen können ist, dass sich jeder, beispielsweise durch einschneidende Erlebnisse, radikalisieren kann und man deswegen immer auf sich und seine Mitmenschen achten sollte, damit man handelt, bevor es zu spät ist. Man sollte sich nicht schämen, sich Hilfe zu holen, wenn es einem schlecht geht und auch bei Mitmenschen auf Warnzeichen achten.

Vielen Dank an Paula Baumann (Q2) für den Bericht!

Wir bedanken uns herzlich bei dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ für die finanzielle Förderung dieses erkenntnisreichen und spannenden Workshops!

Mario Meier (Fachvorsitzender Sozialwissenschaften)

Weitere Informationen finden Sie auch unter www.extremislos.de (Verein für Extremismusprävention und Demokratieförderung) und unter www.demokratie-leben-herford.de